The Mountainman Ultra

16. August 2014 Titlis - Hasliberg - Pilatus
Ultra heisst, in sich ungeahnte Kräfte entdecken. Ultra ist ein wenig Stolz und viel Bescheidenheit.

The Mountainman Ultra Trail 2014

Ich denke es liegt am Reiz, sich dadurch besser kennen zu lernen und seine Autonomie zu entwickeln, um so entsprechend der persönlichen körperlichen und moralischen Kräfte bis an die eigenen Grenzen gehen zu können . Eventuell diese Grenzen sogar in diesem Sinne verschieben zu können.

Nach dem Eiger Ultra Trail 4 Wochen zuvor war mir klar, jetzt muss ich dran bleiben. Ich musste die Gunst nutzen und dem Formhoch einen letzten Schliff zu geben. Kunst war es zudem dies im zeitlich möglichen Rahmen effizient zu gestallten. Mit dem Mountainman steht mein grösstes und strengstes Laufziel vor mir mit 80 Kilometer und 5‘000 Höhenmeter. Ich rechne mit 12-14 Stunden Laufzeit bis ins Ziel und ist auch mein mit Abstand längster Dauerlauf.

Zwei Wochen vor dem grossen Tag meldete sich meine linke Achillessehnem mit einem leichten Ziehen und Schmerz beim Druck. Die 120 Kilometer Training in den letzten sieben Tagen hinterliessen seine Spuren. Die Nervosität stieg schon mal an aber mein Lauffreund Gerry entwarnte in seiner Praxis vorerst. Die leichte Massage und Elektrotherapie brachte das Ganze gerade noch rechtzeitig ins Gleichgewicht.

Nach dem Abschlusstraining war ich echt froh unverletzt und bei guter Gesundheit zu sein. Denn sie könnte meiner Investition der letzten Monate einfach einen Strich durch die Rechnung machen. Dem Vorhaben stand jetzt nichts mehr im Wege. Die Vorfreude ist jedoch vermischt mit der Ungewissheit was einem erwartet und einer Prise Nervosität. Gedanken an den K78 in Davos vor drei Jahren kommen hoch, wie ich mich nach knapp 10 Stunden Laufzeit fühlte, und dies bei 2'500 Höhenmeter weniger die zu bewältigen waren. Never ever again, dachte ich. 

Das Zeitlimit am Mountainman ist relativ knapp. Um 23:00 Uhr muss jeder Läufer auf dem Pilatus angekommen sein. Ist man bei den Kontrollposten nicht rechtzeitig durch, hat kaum die Chancen je anzukommen und man wird vorher schon disqualifiziert. Beim Berechnen meiner Form und Laufzeit bleiben mir ca. 15% Reserve in der Zeit, nicht gerade viel. Es muss einfach alles rund laufen. 

Träume vom Lauf begleiten mich die Nächte davor. Ich weiss, es ist zu machen und die mentale Vorbereitung war ein wichiger Bestandteil im Vorfeld. Wenn ich nicht absolut sicher wäre es zu schaffen, würde ich nicht starten. Ich stelle mich jeweils vor, wie ich mich nach einem Marathon fühlte. Keinen Kilometer zusätzlich hätte ich gemacht. Auch beim Eiger Ultra Trail, nach 51 Kilometer und 3‘000 Hölhenmeter war ich völlig platt und am Ende der Kräfte. Wie kann das dann bei 80 Kilometer funktionnieren? Das Geheimnis liegt ganz einfach darin, dass man sich von Anfang an auf 80 Kilometer einstellt. Tönt banal, aber ich kann aus Erfahrung sowie dem Austausch mit weiteren Laufkollegen sagen, es funktionniert. Es ist diese Tatsache, welche mich wissen lässt, ich kann es schaffen. Logisch ist es allemal nicht.

Die letzten Wochen vor dem 16. August waren wettermässig von vielen Niederschlägen geprägt. Ich ging immer davon aus, spätestens bis zum Mountainman wird es kehren und der Sommer kommt noch, wenn auch spät. Als Wetterprophet wäre ich vor die Hunde gangen, es regenete bis zum Renntag und der Untergrund war stark durchnässt. Wir druften uns auf eine anspruchsvolle Strecke gefasst machen. Nässe von unten und Regen von oben.

Samstag 16. August 2014

04:00 Uhr der erste meiner  drei Wecker ertönt. Ich wollte nur eines nicht, und zwar verschlafen.  

Um 05:20 Uhr parkiere ich mein Fahrzeug bei Alpnach und darf das mich von Evelyn zur Talstastion chauffieren lassen. Das war super nett. Ihr Mann Reto (ein Arbeitskollege von mir) hat sich ebenfalls für diese Laufherausforderung entschieden. Ein Gepäckstück mit Kleidern geben wir an der Talstation ab, dieses wird direkt zum Ziel auf den Pilatus Kulm befördert. Ein Weiteres konnten wir gestern bereits beim abholen der Startnummer in Alpnach abgeben für den Verpflegungsposten beim Brünig. Es musstes somit an einiges gedacht werden und auch organisatorisch vom Veranstalter war dies logistisch top organisiert und koordiniert. 

Die Titlisbahnen legten in der Morgendämmerung eine Extra-Frühschicht ein und befördern die gut 150 Ultra-Läuferinnen und Läufer direkt auf die Trübsee, dort wo in 25 Minuten der Startschuss fällt. Bei den Knapp 10°C und leichtem Regen entscheide ich mich für den Regenschutz. Schliesslich geht es gleich mal ein paar Meter hoch zum Jochpass und da wird es nicht wärmer sein, dieser steht voll im Nebel. 

Es ertönt ein langes „Goooooo“, und genau so soft gehe ich es an. Keine Hektik und kein Gedränge, die Stimmung ist top. Gleichzeitg ist dieser Lauf noch die Schweizermeisterschaft im Trail Running. Darunter somit viele Topathleten, aber nicht nur aus der Schweiz, viele reisten von weit her an. 

Die Strecke geht jetzt am Ufer des Trübsees entlang und gleich hoch im Zick-Zack auf den Jochpass, ca. 500 Meter höher gelegen. Überholen ist hier bereits schwierig, aber es geht flott voran und die Kärfte müssen eh eingeteilt werden, supereilig hat es niemend. Auf der Höhe treffen wir im Nebel auf den 1. Verpflegungsposten. Beim Trail oberhalb des Engstlensess blieb uns leider der schöne Ausblick verwehrt. Der Untergrund ist nass und die Steine glitschig, es gilt höhste Konzentration. Ab und zu rutscht ein Läufer aus und fällt, aber zum Glück stehen jene wieder auf. Jemand hier rauszuholen wäre nicht so einfach. Da ich zwischendruch mit meinen Filmaufnahmen beschäftigt bin, verliere ich Reto vor mir aus den Augen. 

Richtung Tannalp lichtet sich der Nebel ein bisschen und ich habe das Gefühl schon sehr lange unterwegs zu sein, dabei waren es kaum 10 Kilometer. Der 2. Verpflegungsposten naht und danach geht es am Ufer des Tannalpsees hoch Richtung Planplatten. Weit entfernt ist der Melchsee zu erkennen. Dies war schon immer ein Wunsch diese bekannte 4-Seen-Wanderung zu erkunden, leider ist nur die Sicht nicht das Wahre. 

Die Kälte nimmt zu und ich muss meine Ohren abdecken. Trotz leichter Bekleidung hält mich die Bewegung am Körper warm genug und jetzt beginnt sogar leichter Schneefall. Reto ist wieder in Sichtweite und auf der Anhöhe kann ich auf ihn aufschliessen. Kritische Stellen sind betreut durch freiwillige Helfer. Sie mussten nich nur früh raus und irgendwie den Posten erreichen, nein sie harren bei der Kälte aus und motivieren uns sogar noch. Das Ganze ist sehr gut organisiert und an dieser Stelle ein herzlichen Dankschön allen Helferinnen und Helfer, dass sie uns diese Abendheuer überhaupt ermöglichen. 

Nach dem Gibel geht 1'000 Meter Downhill zum Brünigpass wo wir um 11:30 Uhr beim Verpflegunsposten ankommen. Kaum war ich im Gelände wurde mir schon meine deponierte Tasche in die Hand gedrückt. Unglaublicher toller Service und sehr aufmerksam. Ich staune nicht schlecht.  

Wir verpflegen uns und weiter gehts mit 1'000 Meter Aufstieg aufs Schönbühl. Die Wolken lockern sich auf und die tolle Aussicht auf den Brienzersee bleibt uns nicht verwehrt. Nach gut zwei Stunden erreichen wir die Höhe und gleichzeitig den ersehten Verpflegungsposten bei Kilometer 40. Streckenhalbzeit!  

Und sogleich geht es wieder runter. Anfangs noch steinig, dann aber glitisch auf dem druchnässten Gras. Die Teleskopstöcke helfen dies zu meistern. Eine komplett neue Gegend für mich und ich geniesse das Panorama. Im Tal weiter unten kommen wir auf eine Steinstrasse, welche die Kilometer pruzeln lassen. Jetzt nehmen wir den Sattelpass in Angriff und durchqueren Anspruchsvolle Moor- und Sumpffelder. Die Löcher heimtückisch und gefüllt mit Wasser. Bei einem Läufer vor mir blieb der Schuh sogar im Schlamm stecken. Nach gut einer Stunde erreichen wir jeweils wieder einen Getränkeposten. Der Support und die Freundlichkeit ist toll und sehr fürsorglich. Auch fehlt es an nichts, von Energieriegel, diversen Getränken, Buillon, Käse und Gebäcke, es ist schwierig eine Auswahl zu treffen, denn man will ja nicht den Magen überfordern.

Zwischendruch bricht die Sonne ein bisschen durch aber der Regen läasst dann auch nicht lange auf sich warten. Die Bewegung hält warm. Einzig bei den Verpflegungsposten begann nach 5 Minuten das gezitter, ich war ja auch kompett durchnässt bis zu den Zehen. 

Bis um 19:00 Uhr mussten wir bei Kilometer 60 Langis passiert haben, sonst ist man diesqualifiziert. Diese Ziet merkte ich mir. Verständlich, denn danach erreicht man den Pilatus Klum bis 23:00 Uhr kaum noch. Es ist 17:00 Uhr und mit Kuhglocken im Terzett werden wir wie Helden in Empfang genommen.Wow, welch tolle Stimmung hier. Zeit und Leiden sind kuzr für ein paar Sekunden vergessen.  

 Es bleiben uns zwei Stunden Reserven und es sieht gut aus, es zu schaffen. Die ersten Wehechen und Schmerzen haben jedoch schon lange begonnen und das Rennen im Kopf beginnt spätestens jetzt. Was kommt ist für mich Neuland und Ungewiss. Die Überwindung im Laufschritt zu bleiben bei einem 6er Schnitt wird immer grösser und schmerzvoller und die Unterhaltung mit Reto hilft sich darüber nicht zu viele Gedanken zu machen. 

Ich schaue über das Bergpanorma zurück und erkenne weit weit hinten die Alpen wo wir herkomanen. ¾ ist geschafft und der Pilatus liegt jetzt sichtbar vor uns. Die Stecke bleibt sehr anspruchsvoll. Wir erreichen den letzten Verpfelgungsposten vor dem Aufstieg und jetzt beginnt es nochmals stark zu regenen. Gleichzeitig wird es richtig kalt und die Hände werden unbeweglich. Wir kleben im Hang und hören die Lautsprecher ins Tal vom Speaker hoch oben im Ziel. In 14 Stunden und 15 Minuten durchqueren Reto und ich gemeinsam das ersehnte Salomontor hoch oben mit Blick auf Luzern. Yeesssssss!


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